Q_P – unterstützt Ver_Lernen und Bildung als persönliche und politische Veränderung

An dieser These finde ich besonders den Aspekt des Ver_Lernens interessant. Ich verstehe diesen (in Anlehnung an Spivak) so, dass es darum geht, zu erkennen, dass ich gelernt habe, auf eine bestimmte Art und Weise zu denken und die Welt wahrzunehmen. Mir wurde bestimmtes Wissen, über bestimmte Personen, Lebensweisen, Kontexte, etc. als das eigentliche, das wichtige, das richtige Wissen vermittelt. Beim Ver_Lernen geht es nicht darum, dieses Wissen als unwichtig oder falsch umzudeuten, sondern vielmehr darum, zu erkennen, dass diese Art zu Denken und Wahrzunehmen von Machtverhältnissen durchzogen ist. Es geht darum – und das ist m.E. der wichtigste Punkt – es als Verlust zu erleben, dass ich zu bestimmtem Wissen keinen Zugang hatte oder habe, weil es nicht als das wichtige, das richtige Wissen gilt. Diesen Verlust zu erkennen und zu spüren, ermöglicht eine Erweiterung des Blicks, ein Neulernen und somit auch persönliche und politische Veränderung.

Schwieriger verhält es sich bei dieser These m.E. mit dem Begriff Bildung. Ich denke, hier gilt es auszudiskutieren, was unter Bildung verstanden wird. Das Ziel einer solchen Diskussion kann und sollte m.E. nicht sein, sich auf ein Bildungsverständnis zu einigen. Vielmehr fände ich es bei einem so vielfältig und z.T. widersprüchlich besetzten und reklamierten Begriff interessant sich darüber auszutauschen, wie dieser aus einer queer_pädagogischen Perspektive ausgedeutet werden kann.

Frauke Grenz

Von der ‚Politik für das Leben‘ und einem raumschaffenden epistemischen Umsturz aus möchte ich Bildung und Subjektivierung denken. Beides sind für mich Prozesse der Transformation von Selbst-, Welt- und Anderen-Verhältnissen, wie sie in der traditionellen Bildungstheorie konstitutiv sind. Subjektivierung verstehe ich hierbei als Formation und Unterwerfung im Sinne von Foucaults Macht-Unterwerfung des modernen Subjekts. Das Subjekt wird ‚angerufen‘, es ordnet sich diesen Anrufungen unter und wird, gemäß Althussers Verständnis von Ideologie, zum Subjekt. In der Tradition poststrukturalistischer Theorien ist es möglich, diese Anrufungen zu irritieren und von dieser Irritation her eine weitere Transformation zu denken, die ich an anderer Stelle, bildungstheoretischen Ansätzen von Hans Christoph Koller, Nadine Rose oder Bettina Kleinert folgend, als transformatorische Bildungsprozesse verstanden habe.

Was aber, wenn das verworfene Schwarze Subjekt – im Anschluss afropessimistische Theorien – nie als Subjekt in die Welt kam bzw. kein Subjekt im eigentlichen Sinne (mit einer ähnlichen agency, Geschichtlichkeit und Wertigkeit) ist? Was, wenn dieses Schwarze Subjekt immer nur Objekt einer weißen Fantasie gewesen ist und bleibt, so wie es Fanon beschreiben hat? Dann kann die Frage der Bildung und Transformation nur von der Nicht-Subjekthaftigkeit aus, gedacht werden. Agency kann dann nur als vorläufige unbeständige Irritation denkbar sein und die Nicht-Subjekthaftigkeit muss als Lebensmoment im Mittelpunkt stehen und erst gar nicht versuchen, durch Repräsentationspolitiken und Diversity-Strategien darüber hinwegzutäuschen. Das bedeutet für mich nicht, diese zu negieren oder ihnen nicht nachzugehen; es bedeutet für mich, den Gespenstern, den Getöteten zuzuhören (wie es Celiné Barry ausgedrückt hat), die Deklassierten und Zurückgelassenen zu hören und sie zu fragen, was sie gebraucht hätten.

Von diesem Punkt aus möchte ich zukünftig Bildung und Transformation, Lernen und Verlernen, verstehen.

Denise Bergold-Caldwell

Auszug: I know that there are forms of self-identity and subjectivities at the intersections of race, gender, social class, ableism, culture, place that I do not know or fully understand. It is not my place to know. What I do know is that there is active resistance to the oppression and discrimination that are differently experienced.
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Samiera Zafar

Q_P vertritt ein selbstkritisches Verhältnis gegenüber ihrer eigenen Funktion. Deshalb unterstützt sie nicht nur Prozesse des Lernens, sondern ebenso des Ver‑Lernens generational vermittelter Macht‑Wissens-Ordnungen sowie damit verbundener, unsolidarischer Verhaltensformen wie auch Verhältnisse. Sprache stellt eine historische Praxis dar, die den Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen zeitlich vorausliegt und deren Regelsystem – nicht nur, aber insbesondere – im Zuge der Erziehung und Sozialisation von Heranwachsenden durch diese erlernt werden müssen. Nur so werden Individuen zuallererst in die Lage versetzt, sich über ein Zeichensystem, das ihnen die Genrationen vor ihnen zur Verfügung gestellt haben, als ein Subjekt (z.B. als Mann*) hervorzubringen – das heißt, sich selbst und Anderen sprachlich als ein solches verständlich zu werden und zu machen. So ist dem Spracherwerb analog zu den Prozessen der Enkulturation in Erziehung und Sozialisation per se ein Moment der Fremdbestimmung inhärent, zumal ein Individuum sich selbst, die Welt und die Anderen darin über soziale Kategorien zu identifizieren lernt, die es nicht selbst hervorgebracht hat. Q_P reflektiert jenes Moment der Unfreiheit, welches sich in Lernprozessen manifestiert und an dessen (Re-)Produktion die Pädagogik qua Erfüllung ihres Erziehungsauftrags beteiligt ist, damit Bildung respektive Selbstbestimmung in Gestalt der nachträglichen Negation der in Erziehung und Sozialisation erfahrenen Fremdbestimmung zur Möglichkeit werden kann.

Florian Cristóbal Klenk

Damit Ver_Lernen zugleich persönliche und politische Veränderung bewirken kann, schafft Q_P Bedingungen, die die Bedeutung von Macht und Begehren für das Lernen, Lehren und Ver_Lernen (selbst-/reflexiv) zugänglich machen. So kann Q_P Dynamiken von Macht und Begehren für die subjektive und kollektive Ermächtigung, für Neu-Ordnungen des Begehrens, für Gesellschaftskritik und Zukunftsvisionen – kurz, für persönliche und politische Veränderung verfügbar machen.

Antke Antek Engel

Statt von Verlernen spreche ich lieber von Umlernen und Umdenken. Die Bezeichnung ‚Verlernen‘ legt nahe, dass etwas Erlerntes vollständig abgelegt werden kann. Darin kommt aus meiner Sicht eine Reinheitsphantasie zum Ausdruck, ein Wunsch, alles loszuwerden, was mich mit Gewaltgeschichte und Gewaltverhältnissen verbindet.

Astrid Messerschmidt




I am committed to advancing social justice in and through education. I endeavour to teach against colonial, racist, heteronormative, ableist and other intersecting and discriminatory narratives. I commit to disrupting power relations in pedagogical settings. Yet, my performance of a cisgender, heterosexual identity may inadvertently exclude students with complex and fluid identities. Apart from my sexual and gender self-identity, there are other intersecting identity markers that can similarly reinscribe forms of exclusion. Salient among these is my presence on Indigenous land, my complicity in a Settler Colonial project in Canada and my relationship with Indigenous students. Therefore, I must be vigilant and maintain a critical gaze at myself in the pedagogical space.

I know that there are forms of self-identity and subjectivities at the intersections of race, gender, social class, ableism, culture, place that I do not know or fully understand. It is not my place to know. What I do know is that there is active resistance to the oppression and discrimination that are differently experienced. It is in these modalities of struggle in the pedagogical contexts that I must seek permission to enter and forge solidarities, while respecting differences. To do so, I must commit to the principles of human dignity and desire in all my interactions while openly declaring my comfort with not knowing that which is not knowable to me.

In the classroom, I must affirm the inalienable right of every student to open up the wholeness of themselves and give full expression to what it means to be human. However, the right of every student to choose if, when, where and how they wish to reveal their identity(ies) must be safeguarded. I must declare these principles to be at the heart of my pedagogical praxis and hold myself and the pedagogical space accountable to these principles.

While I commit to taking personal responsibility to learn, unlearn and to teach against oppression and discrimination we should never lose sight of the inequities embedded in historical processes of colonisation and other forms of oppression and in social and political institutions. We must remain alive to the ways in which we are each constituted by such institutions and actively resist the ascribed identities and forms of domination, power and control.

Education is a two headed Janus with many faces in between! We must remain alive to its deception.

Samiera Zafar