Q_P – beschränkt Differenz nicht auf Binarität und Klassifikationen

Dies halte ich für zentral. Geschlechterdifferenz wird immer noch dominant binär gedacht und Geschlecht ist nach wie vor und wieder ein Platzhalter für die hartnäckige Binarität, die im Grunde der Idee von ‚Queer‘ widerspricht. Wie Differenz eine offene Kategorie bleiben kann, ist immer noch eine zentrale geschlechtertheoretische Frage, die zugleich weitere Differenzordnungen berührt.

Astrid Messerschmidt

Diese These kann als Aufruf zu Differenzierung und VerUneindeutigung (vgl. Engel 2001) zugleich verstanden werden. Die Vervielfachung von Differenz und Differenzwahrnehmung kann dabei helfen, einfache Bewertungen und Zuordnungen zu unterlaufen.

Nanna Lüth

Aus einer marktlogischen (ökonomischen) Perspektive, sind Flexibilisierungen heute – hinsichtlich jeglicher Kategorien aber auch der Kategorien selbst – durchaus gewinnbringend. Identität und Flexibilität können heute in gewisser Weise erkauft werden. Ich glaube nicht, dass uns die Normen – als verhindernde Kraft, also im normativen Zugriff – noch so stark im Weg stehen (zwar als Strukturen, wie oben beschrieben, aber nicht mehr nur als Begrenzung). Die Frage ist doch: Wie kann ich heute als Subjekt in die bestehende Ordnung eintreten? Ist es ist möglich als ‚differentes‘ Subjekt in diese Ordnung einzutreten? Was aber, so meine These, nicht möglich ist, wenn eine Person sich nicht verkaufen und auf dem Markt anbieten kann. Dann wird sie zur ausgestoßenen Person, sie wird zu einem Leben, das nicht ‚betrauerbar‘ ist, wie Judith Butler es formuliert. Mir käme es darauf an zu fragen, wie und warum wir dahin kommen, dass solche Leben entstehen? Mit Sicherheit spielen dabei Kategorisierungen und Binaritäten eine Rolle, aber für mich liegt darin nicht die Antwort auf die Frage. Worum es mir geht, ist die Produktion von Differenz in der Weise anzufechten, in der Herrschaft dahintersteht. Unter Herrschaft verstehe ich mit Bezug auf Foucault eine andauernde, nahezu statische Situation. Der ‚lange Schatten der Moderne‘ beschreibt für mich eine solche Situation.

Denise Bergold-Caldwell

Q_P weiß um den ermöglichenden wie auch einschränkenden Charakter sozialer Kategorien, z.B. in Form von Namen und Begriffen sowie der sich darin trainierenden Binarität und Hierarchie. Sie richtet sich deshalb gegen jegliche Formen des identifizierenden Denkens (in Anlehnung an Theodor W. Adorno), damit sich Differenz nicht auf binäre Klassifikationen und Identität in Gestalt hierarchischer Dichotomien reduziert (Mann/Frau, hetero/homo). Einem dekonstruktiven Theorieverständnis zufolge arbeitet Q_P einerseits an der Anerkennung und Vervielfältigung geschlechtlicher und sexueller Lebensweisen, um hierarchische Binarität abzubauen. Andererseits nimmt sie jedoch zugleich einen skeptischen Standpunkt gegenüber der Pluralisierung von Lebensformen und Existenzweisen ein. Denn auch diese können (neo‑)heteronormative Hierarchien entlang eines flexibilisierten Normalitätskontinuums (re‑)produzieren, durch die soziale Lebensweisen – selbst wenn sie sich der Binarität widersetzen – eingeengt werden können. Die Strategie der Dekonstruktion zielt demnach nicht auf die bloße Zerstörung oder Auflösung von Kategorien ab, sondern forciert eine Infragestellung der sich hierüber manifestierenden sozialen wie auch materiellen – insbesondere materialistischen – Ungleichheitsverhältnisse.

Florian Cristóbal Klenk

Als egalitäre, enthierarchisierende Differenzpraxis ist Q_P darauf aus, Differenz als Besonderheit zu fördern und zugleich Differenz als soziale Ungleichheit abzubauen. Differenz als Besonderheit und Einzigartigkeit zu fördern, erfordert einen weiteren Blick als die Kritik von Klassifikationen, Oppositionsbildung und binär-hierarchischer Unterordnung. Denn Queerness als Ausdruck von Ambiguität (Mehrdeutigkeit) oder Alterität (Andersheit d* anderen) kann nicht mit Modellen klassifizierbarer, additiver, verdinglichter oder naturalisierter Differenz als zählbarer Vielfalt erfasst werden. Deshalb erkennt Q_P die Dynamiken von Macht&Begehren an, die mit dem Identitätsbegriff verbunden sind. Sie ist zugleich eine Pädagogik geschlechtlicher und sexueller Vielfalt wie auch deren Kritik und Dekonstruktion.

Antke Antek Engel